Kölner Slow Food Mitglieder beim Besuch der Gartenoase (Foto: Gert Weber)

Slow Food – Was steckt dahinter? Ein Interview

Gut, sauber, fair – so lautet das Motto von Slow Food. Anne Fuentes, die Vorsitzende des Kölner Conviviums von Slow Food, erklärt, was dahinter steckt und wie man durch Essen Tiere retten kann.

Frau Fuentes, können Sie in drei Sätzen erklären, was hinter Slow Food steckt?
Das Motto von Slow Food ist „gut, sauber, fair“. Unter gut verstehen wir wohlschmeckende, frische und gesundheitlich einwandfreie Lebensmittel. Sauber heißt, dass sie hergestellt werden, ohne die Ressourcen der Erde zu belasten oder Schaden an Mensch und Natur zu verursachen. Fair bedeutet, darauf zu achten, dass die Menschen, die sie produzieren, unter fairen Bedingungen arbeiten und auch fair bezahlt werden. Slow Food gibt es übrigens jetzt schon seit mehr als 30 Jahren, in Deutschland seit knapp 25.

Wie und wann sind Sie zu Slow Food gekommen?
Vor ungefähr zehn Jahren habe ich im WDR eine Dokumentation über Slow Food Köln gesehen und dachte: „Das ist genau mein Ding!“ Dann bin ich Mitglied geworden.

Was sind die größten Erfolge, die der Verein seit seinem Bestehen erzielt hat?
International hat Slow Food ein Bewusstsein dafür geschaffen, die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft wieder zu stärken und den Menschen nicht ihre Lebensgrundlage zu entziehen. Auf Deutschland bezogen war der größte Erfolg sicherlich die Aktion „Teller statt Tonne“ – inspiriert durch Valentin Thurns Film „Taste the waste“ über die systematische Lebensmittelverschwendung im Handel. Sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist – oder häufig schon vorher – werden Lebensmittel aus den Regalen genommen und vernichtet, einfach weil es eine riesige Überproduktion gibt. Darauf hat Slow Food aufmerksam gemacht. Inzwischen gibt es in vielen Städten gemeinsame Aktionen mit dem Verbraucherschutzministerium unter dem Motto „Zu gut für die Tonne“. So werden immer mehr Menschen für das Thema Lebensmittelverschwendung sensibilisiert.

Und dann gibt es da ja noch die Arche des Geschmacks.
Genau, dahinter steckt eine weitere Idee von Slow Food, mit der wir bereits einige Erfolge erzielen konnten: Die Vielfalt an alten Gemüsesorten, aber auch an ursprünglichen Tierarten ist bedroht und unter dem Motto „Erhalten durch Aufessen“ können sowohl Pflanzen als auch Tiere erhalten beziehungsweise wieder gezüchtet werden. Die Arche-Produkte können über die Slow-Food-Seite bei den Herstellern bestellt werden. Ein Beispiel ist die Alblinse, die aus einer recht kargen Region kommt, so dass der Anbau mühsam ist. Dadurch wurde sie kaum noch angebaut und ist auch entsprechend teurer als die normale Tellerlinse. Wenn man diese Linse aber erst einmal probiert hat, weiß man, dass sich das lohnt!

Anne Fuentes (links) mit anderen Mitgliedern des Kölner Slow Food Conviviums auf dem Wochenmarkt
Anne Fuentes (links) mit anderen Mitgliedern des Kölner Slow Food Conviviums bei einer Maiwirsingaktion auf dem Wochenmarkt

Welche Möglichkeiten gibt es, bei Slow Food mitzumachen?
Einmal, indem man Mitglied wird und die Arbeit von Slow Food mit seinem Mitgliedsbeitrag unterstützt. Man kann sich aber natürlich auch aktiv in einer der regionalen Gruppen, den sogenannten Convivien, einbringen. In Köln treffen wir uns regelmäßig zum Kochen, besuchen gemeinsam Erzeuger im Umland oder treffen uns mit anderen Convivien. Im Herbst waren wir zum Beispiel gemeinsam Sauerkraut stampfen. Man kann auch gerne einfach mal zum Schnuppern zum Stammtisch oder einer der gemeinsamen Aktionen kommen – dazu muss man kein Mitglied sein.

Was kann ich – unabhängig von Slow Food – als Verbraucher ändern?
Das wichtigste ist, sich Zeit fürs Einkaufen und Zubereiten seines Essens zu nehmen. Indem man beispielsweise statt in den Supermarkt zum Wochenmarkt geht, mit den Händlern spricht und einfach mal nachfragt, wo die Lebensmittel herkommen. Dort findet man häufig gute regionale Produzenten. Wir geben dazu übrigens auch Tipps auf unserer Seite. Es lohnt sich, die Weihnachtsgans oder den nächsten Braten bei einem regionalen Anbieter zu kaufen, bei dem man sich anschauen kann, wie er die Tiere hält oder erfährt, wie sie geschlachtet werden. Das kostet sicherlich ein bisschen mehr, aber wenn man dafür vielleicht einfach etwas weniger Fleisch isst, kann man sich ab und an auch etwas richtig Gutes gönnen.

Sie stellen den regionalen Aspekt in den Vordergrund. Wie wichtig ist denn Bio in der Slow-Food-Philosophie?
Letztendlich treffen bei Bio dieselben Kriterien zu, die wir auch sonst ansetzen: Im Vordergrund steht, dass die Ressourcen der Erde möglichst wenig belastet werden sollten. Wenn ich im Januar die ersten Biokartoffeln aus Ägypten kaufe und der Bauer aus der Region seine Kartoffeln nicht mehr los wird, ist Bio nicht zwangsläufig die bessere Wahl. Auch sagt Bio allein nichts über faire Arbeitsbedingungen aus. Hier sollte man hinterfragen und genau überlegen, was einem selbst wichtig ist.

Inwieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung, was einen vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln angeht?
Wir haben Gesetze, die es kleinen Produzenten schwer machen, sich zu behaupten. Gerade in der Käse- oder Fleischverarbeitung sind die Hygienebedingungen oft sehr hochgesteckt. Da können kleine Produzenten nicht mithalten. Man hat das Gefühl, dass es eher den Großen leicht gemacht wird. Mittlerweile sind – unter anderem durch die Biogasproduktion – die Pachtpreise so hoch, dass es für normale Landwirte kaum noch möglich ist, mehr Fläche dazu zu pachten. Auch hat die Industrielobby in Deutschland sehr viel zu sagen, ein aktuelles Beispiel ist Glyphosat. Immer weiter, immer schneller, immer mehr kann einfach nicht die Lösung sein, weil die Ressourcen der Erde nun einmal beschränkt sind.

Haben Sie zum Abschluss vielleicht noch einen Tipp, was ich bei meinem nächsten Einkauf anders machen könnte?
Gerade in der Weihnachtszeit sollte man auf den Weihnachtsmärkten schauen, was angeboten wird und auch hier genauer hingucken. Solche Märkte können auch für kleinere Hersteller ein guter Weg sein, ihre Produkte zu präsentieren. Sicherlich gibt es auch Glühweinstände, die nicht nur den 08/15-Glühwein anbieten, sondern etwas besonderes. Und wenn man Kaffee oder Kakao kauft, einfach mal auf das Fair-Siegel achten, das findet man auch hier an einigen Ständen auf den Kölner Weihnachtsmärkten. Schließlich ist es doch auch schön, zu Weihnachten etwas Kulinarisches zu verschenken, das auch den Menschen, die es hergestellt haben, zugute kommt.

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Noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk? Wie wäre mit einer Slow-Food-Mitgliedschaft? Für 75 Euro im Jahr bekommt ihr sechs Mal im Jahr kostenlos das wirklich lesenswerte Slow Food Magazin zugeschickt und könnt an allen Veranstaltungen eures regionalen Conviviums teilnehmen. Außerdem gibt es da noch Slow Food Youth, die mit Schippeldiskos, Eat-ins und anderen Aktionen auf die Ziele von Slow Food aufmerksam machen. Ausprobieren lohnt sich, ich spreche da aus Erfahrung!

 

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