Gestern war ich auf der Anuga in Köln – der größten Fachmesse der Nahrungsmittelindustrie. Wer sich für hochverarbeitete Lebensmittel interessiert, ist hier richtig. Ich war es nicht.
Das Kürzel Anuga steht für Allgemeine Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung. Die hat 2019 ihr Hundertjähriges gefeiert, mehr als 7.400 Aussteller präsentieren hier, was sie sich in den letzten zwei Jahren alles an neuen Lebensmitteln und deren Verpackungen ausgedacht haben. Ich war neugierig, mein letzter Besuch dort ist schließlich schon ein paar Jahre her – und so habe ich mir das Spektakel noch einmal angesehen.
Sexismus vs. Streuobstwiese
Und was soll ich sagen? Es war einigermaßen erschreckend. Erwartbar zwar, aber trotzdem erschreckend. Denn die meisten Dinge, die dort unter immer neuen Namen vorgestellt werden, braucht wirklich kein Mensch. Bestes Beispiel: Lady Water und Gentleman Water. Für die Männer verspricht es Gesundheit und Vitalität, für die Frauen Gesundheit und schönes Aussehen. Vitalität mit schwarzem Label, Schönheit mit weißem, Sexismus in Einwegplastik.
Überzeugender fand ich die Schorlen von Ostmost, ein Berliner Start-up, das für seine Säfte nur Obst von regionalen Streuobstwiesen verwendet. Ich habe die Apfel-Rote Bete-Schorle probiert und fand es direkt schade, dass es die in Köln nur in einem Laden zu kaufen gibt…
Fleischersatz – nicht immer vegan, nicht immer lecker
Nach der Getränkeabteilung war ich in einer der drei „Meat“-Hallen. Ich war erstaunt, dass sich immer noch so viel um Fleisch dreht, doch hier waren auch allerlei Fleischersatzprodukte bzw. Fleischalternativen zu finden. Als erstes habe ich Insektensnacks probiert, einmal herzhaft und einmal mit Schokolade umhüllt. Viele Start-ups probieren sich derzeit an Insekten als Proteinquelle, mal abwarten, was aus dem inzwischen ja auch nicht mehr ganz neuen Trend wird. Ich fand es nicht ekelig oder befremdlich, aber halt auch nicht besonders lecker. Und, wie bei so vielen „Food-Neuheiten“, einfach zu sehr verarbeitet. Das Mettwürstchen, das ich danach zum Neutralisieren aß, hat mir besser geschmeckt!
Erstaunlich gut hingegen haben mir die veganen Burger-Patties von Bunte Burger geschmeckt. Das Kölner Restaurant in Ehrenfeld kannte ich bereits, aber das Visch-Filet auf Jackfruit-Basis hatte ich bislang noch nicht gegessen. Sehr lecker! Als Nicht-Veganer war der Trend zu Jackfruit als Fleischersatz bislang an mir vorbeigegangen. Die unreife Frucht eignet sich anscheinend gut als Alternative zu Tofu, Seitan & Co. Das Problem: So eine Tropenfrucht wächst natürlich nicht um die Ecke, sondern in Südostasien. Insofern hoffe ich, dass der Trend sich nicht zu Jackfruit-Plantagen in Monokultur auswachsen wird, sondern eine unter vielen gesunden Alternativen bleibt – falls es dazu nicht schon zu spät ist. Auch hier tummeln sich bereits einige Anbieter und bieten unreife Jackfruit in Salzlake an – in Dosen aus Asien importiert. Insofern lässt sich über den ökologischen Fußabdruck dieser veganen Alternative jetzt schon streiten. Lecker war sie auf jeden Fall, insofern werde ich mir diesen Visch künftig ab und an mal gönnen!
In Salzlake eingelegte Jackfruit… und die aus Jackfruit gemachten Fisch-Patties
Plastikfreie Verpackung – auch so ein Thema
Ob Dose oder Plastikflasche, die meisten auf der Anuga vorgestellten Lebensmittel waren nicht gerade nachhaltig verpackt. Schön, dass es auch hier Gegenbeispiele gibt. Produzenten, die sich weniger darum kümmern, ständig neue Produkte auf den Markt zu bringen, sondern versuchen, das was sie anbieten, weniger aufwendig oder komplett recycelbar zu verpacken. Besonders gut gefallen hat mir der Stand von Biovegan. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 plastikfrei zu werden. Ob das funktionieren wird, sei dahingestellt, doch die ersten komplett kompostierbaren Verpackungen sind schon auf dem Markt – und der Rest des Sortiments soll in naher Zukunft umgestellt werden, Hut ab.
Alles Käse auf der Anuga
Also, ab in die nächste Halle, zu den Milch- und Molkereiprodukten. Ich gebe zu, so langsam tun mir die Füße weh, sondern auch mein Magen macht sich bemerkbar. Selbst schuld, wenn man so viel probieren muss… Da mein letzter Zwischenstopp eher süß war (vegane Brownies, angeblich sehr gesund, weil weniger Zucker als in herkömmlichen Brownies), ist mir jetzt nach Käse. Nach einer kurzen Italien- und Griechenlandumrundung lande ich im britischen Bereich der „Anuga Dairy“-Ausstellung – und bin überrascht. Eingefärbten und mit allerlei Aromen versehenen Käse kannte ich bislang vor allem aus Holland (grüner Gouda mit grünem Pesto, roter Gouda mit rotem Pesto etc.), doch auch die Briten schrecken vor der Schönfärberei nicht zurück. Nachdem inzwischen ja kaum noch ein Nahrungsmittel vor dem Einfärben mit Kohle sicher ist, entdecke ich schwarzen Cheddar. Der schmeckt, aber in orange schmeckt er mindestens genauso gut. Direkt am Nachbarstand sehe ich einen weiteren Käse, den ich noch nicht kannte: Lakritzkäse – natürlich aus Holland. Auch den muss ich natürlich noch probieren, komme aber zu dem Schluss: In seine Einzelteile zerlegt, schmeckt er definitiv besser!
Schwarzer Cheddar Käse mit Lakritzaroma
Der Käsestand war definitiv der letzte für mich – inzwischen rebelliert der Magen. Und was ich vorher schon ahnte, weiß ich nun gewiss: Diese Messe ist nichts für mich. Wenn ich nochmal auf eine Lebensmittelmesse gehe, wird es der Markt des guten Geschmacks sein, die Slow Food Messe in Stuttgart!